20 Yamas & Niyamas - tantrische Tugenden

Für die Sanskrit-Begriffe Yamas und Niyamas gibt es verschiedenerlei Übersetzungen, die allesamt in einer Assoziationswolke aus "Werte, Tugenden, Empfehlungen, Selbstverpflichtung, Verhaltensleitlinien" etc. aufgehen, wobei Yamas mehr für die innere Ausrichtung an Werten stehen und Niyamas eher für Verhaltensweisen und auch Praktiken stehen. Es sind Qualitäten, die wir in unserem Leben kultivieren, um unseren spirituellen Weg zu vertiefen, zu verstetigen und - in gewisser Weise - überhaupt erst zu ermöglichen. Es ist dabei von Bedeutung, aus welcher Perspektive wir auf diese Tugenden und Praktiken schauen.

Während im Yoga des Pantañjali, der auf Transzendenz und Überwindung der Körperlichkeit fokussiert, 5 Yamas und 5 Niyamas vermittelt und praktiziert werden, finden sich in der tantrischen Tradition jeweils 10 Yamas und Niyamas, die teilweise - mit etwas anderem Bedeutungsfokus - die Sicht Patañjalis aufgegriffen haben, und darüber hinaus auch weitere Aspekte betonen. Die Unterschiede in den Denksystemen beginnen mitunter schon in der Reihenfolge der Betonung: Während Patañjalis Auflistung mit Āhimsā (Gewaltlosigkeit) beginnt, steht Āhimsā im Tantra an zweiter Stelle, hinter Satya (Wahrheit).

In der tantrischen Sicht, die stets großzügig auf Konzepte schaut und mit Moralismen, Erwartungen und "Verhaltenskorsetts" nur wenig anzufangen vermag, betrachten wir Yamas und Niyamas am ehesten als Werte, bzw. als "Einladungen" bestimmter Sicht- und Verhaltensweisen in unser Leben. Diese Ausrichtung unserer Werte und Verhaltensweisen ist in gewisser Weise Weg und Ziel zugleich, es ist ein Kultivieren von Qualitäten, die wir zunächst erst entdecken und erforschen und dann zunehmend als Facetten des Ziels in unserem Leben willkommen heißen. Sie sind sowohl Ausdruck einer inneren Wahl, einer Hingabe an den spirituellen Pfad, die unserem tiefsten Wunsch entspringt, als auch mitunter Ausdruck eines zunehmend, gleichsam pragmatischen wie liebevollen Ringens mit unseren Gewohnheiten und Konditionierungen.  

Am Ende sind sie, wie Darśana, ein ganz natürlicher Raketentreibstoff für unseren Weg.

Yamas und Niyamas

Die Yamas

    1. Satya                       - Wahrheit  
    2. Ahimsā                    - Gewaltlosigkeit
    3. Kṣamā                    - Geduld
    4. Dhṛti                        - Beharrlichkeit
    5. Kṛpa                        - Vergebung
    6. Ārjava                    - Geradlinigkeit
    7. Asteya                    - Nicht-Stehlen
    8. Mītāhāra                - maßvoll konsumieren
    9. Brahmacarya         - göttliches Verhalten
    10. Śauca                     - Reinheit
 

Die Niyamas 

    1. Siddhānta-Śravana  - den Lehren zuhören
    2. Mati                          - Reflexion
    3. Āstikya                     - Vertrauen
    4. Tapas                       - Selbstdisziplin
    5. Samtoṣa                    - Zufriedenheit
    6. Pūjā                         - Verehrung
    7. Dāna                        - Großzügigkeit
    8. Hrī                           - Bescheidenheit
    9. Huta                        - Anbieten
    10. Japa                        - Mantra-Wiederholung